Nachruf für Klaus Trieglaff

gestorben am 18.11.2017

Ich kannte Klaus seit 36 Jahren, seit 32 Jahren bin ich mit seiner Tochter verheiratet – was heißt schon kennen. Kann man einen Menschen überhaupt kennen?

Und dann ist es nahezu unmöglich ein über 80 jähriges Leben Revue passieren zu lassen, geschweige denn zu würdigen. Daher möchte ich mich im wesentlichen auf eine Sache konzentrieren, die für ihn wie nichts anderes stand: die Heimat. Seine Heimat! Und bitte nicht die Heimat, die derzeit von allen möglichen Parteien und Unparteien dieses Landes zerredet oder unmöglich überhöht wird. Nein so, wie ich es von Klaus erfahren habe. Ich werde dabei das ein oder andere Textstück aus seinen zahlreichen Pommernbüchern zitieren.

Was bedeutete für Klaus das Wort „Heimat“?

Erste „Heimat“

Wenn in stiller Stunde Träume mich umwehn,
bringen frohe Kunde Geister ungesehn,
reden von dem Lande meiner Heimat mir,
hellem Meeresstrande, düsterm Waldrevier.

Klaus ist in Pommern aufgewachsen. Er hat uns farbenreich und dabei stets gut gelaunt erzählt: über den Hof, das Haus, den See, vorstellen konnte ich mir das nicht, bis wir dorthin gefahren sind.

Wir waren in Sternin im Sommer 2004, wir haben seine Heimat gesehen.
Wir haben ein bisschen verstanden

Adolf Pompe schreibt: Es ist das Land am Meer, wie Pommerns Name übersetzt wird und es ist die schöne hinterpommersche Ausgleichsküste mit ihren markanten Kliffen, den dünenreichen Nehrungen und dem hellen Meeresstrande – bis hin zu fruchtbaren Weiten und düsteren Waldrevieren…

… und so hat es Klaus auch berichtet.

… und dann …

„Maikäfer flieg, dein Vater ist im Krieg, deine Mutter ist in Pommernland, Pommerland ist abgebrannt!“

Klaus‘ erster großer Schicksalsschlag: Pommernland ist nicht nur abgebrannt. Es ist für immer dahin:

Zwar das Gebiet ist noch da. Wie in den Kindertagen säumt Wald oder Heide die Seen und die Flüsse; das Meer ist noch da und die sanfte Dünung der Felder. Die Natur hält stand. Chausseebäume spenden weiterhin Schatten, die Hornissen schwärmen genau dort, wo sie es stets schon taten, Störche schreiten ernst in den Moorwiesen wie jeh. Aber es ist Pommern nicht mehr, sondern Pomorze, fremd nun und fern.

1945 Verlust der ersten Heimat – wie grausam und schrecklich

Erste Flucht im Alter von nur 9 Jahren … und wie fantastisch und für mich vorbildlich Klaus damit umgegangen ist … dazu möchte ich später etwas sagen.

Die Familie siedelt in den Westen um. Über Westermoor bei Itzehoe in Schleswig Hollstein bis nach Dormagen und Worringen.

Zweite „Heimat“

Niederlassen in Dormagen

Klaus besuchte die Schule in Westermoor und Dormagen und machte eine Lehre bei VW Kappenberg. Daher vielleicht auch seine Freude, seine Begeisterung am Autofahren: „Kostet doch nur einen Fußtritt und schon bin ich da!“ war auch einer seiner oft gehörten Lieblingssprüche.

Klaus arbeitete bei Kappenberg und der Erdölchemie und gründete eine Familie

Ankommen in Dormagen nach Flucht und Umherirren – endlich Familie, Haus und Geborgenheit! Geschafft!

Heirat und zwei Töchter, Angelika und Erika und natürlich der Dackel Axel.

Er suchte den Westerwald als Ausgleich zum Beruf. 1964 ist Klaus mit seiner Familie zu euch (Blick zu Schneiders) in den Westerwald gekommen. Zuerst wohnten sie im alten Bauernhaus, dann in der Schmiede und zuletzt, 1982, im großen Haus.

Auch da hatte Klaus bereits seine besonderen Hobbies: Bücher, Musik, vor allem klassische und Märsche und natürlich seine Natur und Fotografieren – dargestellt am Wald, der ausgestellten Kamera und den Büchern.

Klaus‘ erlitt seinen zweiten besonderen Schicksalsschlag. Das war der Verlust der Familie – gefühlte Vertreibung und seine zweite Flucht im Alter von nur 36 Jahren im Jahr 1972.

Dritte „Heimat“

Nach dieser erneuten Vertreibung. Endlich hat er seine wirkliche Heimat gefunden.

Nicht Dormagen, nicht den Westerwald, sondern seinen ehemaligen Lehrling, seine Frau Uschi. Sie heirateten 1976 und sie hat ihm all das gegeben, was er so vermisst hat:

Haus, Hof, Geborgenheit, eine große neue Familie und nicht zuletzt den Antrieb in die Richtung, in die er wollte.

Ihr habt im Westerwald das Haus gekauft. Damit war Klaus richtig angekommen – in seinem Wald, seiner Schlucht, seinen Vögeln. Diese Begeisterung hat er auch an seine neue Familie weitergegeben.

Waren für seinen Schwiegervater bis dahin alles was flog einfach nur Spatzen so war er bald ein Experte in der Vogelerkennung.

Klaus hat sich in die Gemeinschaft eingebracht: Feuerwehr, Heimat- und Wanderverein.

Klaus liebte die Gemütlichkeit, die Hoffeste, die Kirmes und die Weinproben. Klaus war ein gutmütiger, liebenswerter Mensch, der andere Menschen in Ruhe ließ und denen, die er liebte viel Freiraum gewährte.

Er konnte auch über seinen eigenen Schatten springen: Mit Uschi zu einem Peter Kraus Konzert gehen, oder auf eine Donaukreuzfahrt. Das zeugt von großer Liebe und Respekt für die Anderen. Wie sonst hätte die Ehe, Eure Ehe die letzten Jahre, wo Du, Uschi, Dich so aufopferungsvoll um Eure Mutter gekümmert hast, überstehen können.

Klaus hatte einen feinen hintergründigen Humor – man musste gut zuhören und man konnte gar nicht anders als schmunzeln.

Ich habe Klaus in all den Jahren nie unwirsch erlebt. Nur ein einziges Mal, das war auf dem Weg zurück von Polen, als das Navigationsgerät im Auto ausfiel und wir kurz nicht wussten, wo wir waren.

Klaus entwickelte seine Leidenschaften weiter: lange Wanderungen im Wald, Ansitz und Photographien (manchmal brachte er mehr Bilder mit, als Onkel Eddie wirklichen Jagderfolg), Bücher lesen und sammeln. Romane, Sachliteratur und natürlich sehr viel über die Natur. Eine großartige Sammlung. Auch an ihr werden wir Klaus immer in Erinnerung halten.

Sein Hobby, das Fotografieren brachte nicht weniger als 7.000 Dias und weitere zig Stapel Abzüge zustande. Sie sind mittlerweile alle digitalisiert (von Erika) und stehen damit auch allen zur Verfügung. Welch wunderbare Erinnerungen, die damit verbunden sind.

Aber dennoch blieb immer:

Du, Uschi, hast ihm die Überzeugung gegeben und ihn ermuntert, auch in die alte Heimat zu fahren.

Seit 1995, den politischen Verhältnissen geschuldet, seid ihr zunächst nach Usedom gereist und von dort zaghaft nach Polen. Wir waren am 2. Dezember 2017 in Usedom. Der Sand und die Muscheln stammen aus Zinowitz.

Seit 2002 haben Uschi und Klaus jährliche Reisen nach Sternin in die alte Heimat unternommen – Endlich!

Angelika und Christian, Erika und ich haben Klaus und Uschi nach Sternin begleiten dürfen. Klaus war glücklich, froh und ich glaube auch ein bisschen stolz, uns seine Heimat zu zeigen. Das Land, in dem er einst aufgewachsen ist.

Der Hof mit den Hühnern und den ständig bellenden Hunden – die freundliche Aufnahme der Bewohner – auch im Dorf und natürlich in der Mühle

Bei mehreren Wanderungen zeigte er uns die Wälder, den See, die Bäche, wahrlich große Felder und den alten deutschen Friedhof,

Insgesamt ein Dorfleben, wie man es sich vorstellt und wie ich es mir vorstellen konnte, wie es vor Jahrzehnten war

und Klaus zeigte uns natürlich die Ostsee

Ich möchte noch eine besondere Gabe ansprechen: Verzeihung und Großmut

Klaus ist geflüchtet und hat großes Leid erlebt. Und obwohl die Heimat, sein Pommern für immer dahin ist, war er niemals böse mit denen, die dort jetzt schon inder zweiten oder dritten Generation wohnen. Im Gegenteil: ihr habt diesen Menschen geholfen, Klaus hat die unterstützt, die jetzt auf seinem Hof wohnen. Ich habe niemals ein böses Wort, kein Wehklagen gehört. Manchmal, ganz still und bescheiden, ein wenig Sehnsucht.

Auch dafür verneige ich mich vor Dir in Respekt und Achtung.

(Rede anlässlich der Trauerfeier am 14.12.2017 in Worringen, von Michael Mager)